Kaiserbesuch 1898

Besuch beim Sultan und Palästina-Reise

Im Oktober 1898 stattete Wilhelm II. auf der Reise nach Palästina, wo er in Jerusalem die neue lutherische Kirche einweihen wollte, der osmanischen Hauptstadt abermals einen Besuch ab. Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können. Die Visite erfolgte in einem Augenblick, da die Situation auf Kreta des Sultans Beziehungen zu den vier Schutzmächten vergiftet hatte. Der Abzug der osmanischen Truppen von Kreta auf eine symbolische Einheit war für den Sultan, nach einem gewonnen Krieg, eine bittere Schmach. Die größte Demütigung aber war, daß er Georg von Griechenland als Gouverneur zu akzeptieren hatte. In dieser Lage schien Deutschland der einzige Freund des Osmanischen Reiches zu sein. Wilhelm II. hatte durch den Abzug seiner Schiffe aus kretischen Gewässern und durch seine Weigerung, an der Aktion des "Konzerts" mitzuwirken, die Dankesschuld des Sultans noch vergrößert. Wenn Sultan Abdülhamid II. sich mit Leuten unterhielt, die, wie Vambery, das Bündnis mit Deutschland offen ablehnten, sagte er: "Es hat keinen Sinn, meine Freundschaft mit dem deutschen Kaiser zu bekritteln, denn die Deutschen nützen mir so sehr, wie ich es zulasse, während das übrige Europa mir schadet wo es kann. Alle materiellen Vorteile, die sie einheimsen, sind nur ein gerechtes Entgelt für den Beitrag, den sie für die materielle Zukunft des Osmanischen Reiches leisten." Der Sultan machte sich keine Illusionen über den Profit, den sich der Kaiser von dieser Freundschaft versprach, und er war schlau genug, zu erkennen, daß der Kaiserbesuch nicht nur von religiöser Begeisterung bestimmt war, denn die Einweihung der Erlöserkirche von Jerusalem machte es keineswegs erforderlich, daß neben dem Grafen von Bülow, als Staatssekretär des Auswärtigen, auch noch Georg von Siemens, der Gründer der Deutschen Bank, den Kaiser begleitete. Wilhelm II. hielt die Zeit für gekommen, dem Sultan eine Rechnung für geleistete Dienste zu präsentieren, und der Hauptposten auf dieser Rechnung sollte die Konzession für die Bagdad-Bahn sein. 20 Jahre verfolgte Abdülhamid II. eine Neutralitätspolitik, um nicht ins Fadenkreuz Englands, Frankreichs oder Rußlands zu gelangen. Wieder einmal griff der Sultan auf seine liebste diplomatische Waffe zurück, zur Taktik des Hinhaltens, überhäufte die Gäste mit Geschenken und Komplimenten, vermied es aber, sich in der Frage der Konzessionen festzulegen. Die offizielle Eröffnung des Bahnhofs Haydar-Pascha in der Hauptstadt und in Anwesenheit von Sultan und Kaiser war eine der vielen glanzvollen Feierlichkeiten, mit denen Abdülhamid II. seinen Gast von den wichtigeren Themen abzulenken versuchte. Doch selbst der Prunk beim Empfang des Kaisers, der den seines ersten Besuchs 1889 noch weitaus übertraf, selbst die brüderliche Herzlichkeit, mit der Abdülhamid ihn begrüßte, konnte Wilhelm nicht ablenken. Er war in der festen Absicht nach Konstantinopel gekommen, den Sultan mit Charme, Überredungskunst und notfalls mit sanftem Zwang die Konzession für den Bau der Bagdad-Bahn zu gewinnen.

Niemals zuvor hatten die Osmanen einem Ausländer, einem Europäer, einen Empfang von so großer Herzlichkeit bereitet. Auf einem Schimmel reitend zog der Kaiser von jubelnden Massen begleitet in Konstantinopel ein. 1898 ärgerte sich der Kaiser über Anspielungen, daß er als Deutschlands oberster Handelsvertreter ins Osmanische Reich gereist sei. Er ließ gelten, daß politische Notwendigkeiten seinen Besuch in Konstantinopel diktiert hätten, behauptete aber, seine Absicht sei vor allem gewesen, eine erfolgreiche Regierung in den osmanischen Gebieten zu unterstützen zu einer Zeit, als die Autorität des Sultans gemindert worden sei durch die Propaganda von Terroristen in fremdem Sold. Mehr als dreißig Jahre später, im niederländischen Exil, würzte Wilhelm II. die deutsche Ausgabe von Harold Nicolsons Lord Carnock mit Randbemerkungen, in denen er die Politik Abdülhamids rechtfertigte und zu erklären versuchte, weshalb der Sultan so scharf gegen die Armenier vorgegangen war, als sie die Ottomanische Bank überfallen hatten. Er erinnerte sich an neue Bomben – "die ich im Museum selbst gesehen - und an nagelneue, blanke Britische Pfunde in Gold, die man bei den von der Istanbuler Polizei auf der Straße gegriffenen Armeniern gefunden hätte, und er legte in einer sorgfältigen Beweisführung dar, die Armenier hätten vom Armenischen Comitee in London den Befehl erhalten, einen Aufstand zu inscenieren, damit die Brit. Regierung die Möglichkeit habe, ihn als Vorwand zum militärischen Einschreiten… zu benutzen." "Aber", so behauptete der Kaiser weiter, "die Redcoats blieben aus, und die auf sie harrenden Armenier wurden erschlagen. So verrieth England die auf seine Anregung hin aufgestandenen Armenier." Was er in Pera und Istanbul zu sehen bekommen hatte, hatte ihn überzeugt, daß die westliche Verurteilung <Abduls des Verdammten> Heuchelei war. Im Gegensatz dazu wollte der deutsche Herrscher die Hand der Freundschaft nicht nur Abdülhamid, sondern allen loyalen Osmanen reichen, gleichgültig welchen Glaubens und welcher Volkszugehörigkeit.

Der Merasim Köşk wurde anläßlich des Besuches umgebaut und für das Kaiserpaar wie 1889 zur Verfügung gestellt, einschließlich einer großen Dienerschaft. Während die Kaiserin Auguste Viktoria im "Traum von 1001 Nacht" schwelgte, wartete Wilhelm ungeduldig auf die Erteilung der Konzession. Die orientalische Diplomatie ging ihm auf die Nerven; für Abdülhamid empfand er zwar Sympathie, gemischt mit Neid auf dessen unbegrenzte Macht als Sultan-Kalif, doch kam in ihm der Argwohn auf, der Sultan zögere die Erteilung der Konzession für den Bau der Bagdad-Bahn hinaus, bis sich erkennen lasse, wie England und Frankreich ihre Differenzen in Afrika beilegen würden. Gastgeber und Gast konzentrierten ihre Aufmerksamkeit nicht so sehr aufeinander, sondern auf das, was in Ägypten geschah. Tag und Nacht meldeten die Telegraphen die letzten Bewegungen Kitcheners und Marchands nach Yildiz (Faschoda-Krise). Würde es soweit kommen, daß die beiden Kontrahenten das übrige Europa in einen Krieg hineinzogen? Dann konnte das Osmanische Reich, als Lohn für seine Neutralität, die Chance ergreifen, Ägypten zurückzugewinnen, und sein Prestige bei den Arabern Nordafrikas wiederherstellen. Der Kaiser war im gleichen Maße interessiert, freilich aus ganz anderen Gründen. Er sah für sich freie Bahn in Asien, während England und Frankreich sich um Afrika zankten. Die Faschodakrise hielt noch unvermindert an, als das Kaiserpaar sich am Nachmittag des 27. Oktober nach Palästina einschiffte. Die äußeren Formen der Freundschaft waren gewahrt worden, aber Wilhelm II. mußte ohne Konzession abreisen und hatte in Gesprächen mit den Ministern des Sultans aus seiner Enttäuschung keinen Hehl gemacht. Sultan Abdülhamid tat, als wisse er von diesen Unterredungen nichts und verabschiedete am Pier vom Dolmabahce von seinen Gästen mit echter Zuneigung, als hätte es nicht die geringsten Trübungen gegeben.

Als die Hohenzollern ins Meer auslief und der Sultan sich nach Yildiz begab, überreichte ihm sein Erster Sekretär Süreyya Bey einen Bericht des Geheimdienstes, wonach die deutschen Archäologen, die in Mosul gruben, in Wahrheit Geologen seien, die nach Öl suchten. Ein flüchtiger Blick auf die Meldung, und schon wurde das Misstrauen Abdülhamids geweckt. Sein Freund, der Kaiser, war ausgezogen, ihm die schönsten Reste seiner Besitzungen zu rauben - von Stund an beobachtete er Wilhelms II. Orientreise mit Argwohn. Sein Instinkt hatte ihm von Anfang an geraten, die Reise zu sabotieren, denn die Vorstellung, daß ein fremder Kaiser mit herrscherlichem Pomp durch seine Länder zog, war ihm verhaßt. Schon die spontanen Beifallsrufe, mit denen Wilhelm II. in Konstantinopel empfangen worden war, hatten den Sultan irritiert. Es war nicht zu überhören gewesen, daß der Jubel diesmal nicht befohlen war, sondern Ausdruck echter Dankbarkeit für das Land, das den Osmanen geholfen hatte, den Krieg gegen Griechenland zu gewinnen. Der Groll richtete sich aber auch an Izzet Bey, dem ehemaligen Sekretär des Sultans, der ein Fürsprecher der Allianz mit Deutschland war. Als der Sultan ihn nach Yildiz rief und ihn als Agenten, der in deutschen Diensten stünde, beschuldigte, übergab Izzet Bey dem Sultan die Forschungsergebnisse aus Mosul. Er hatte es seinem Herrscher verheimlicht, daß Geologen in Mosul nach Öl suchen würden, da es nach deren Berichten "weit aus größere Gewinnmöglichkeiten gibt als in sämtlichen transkaukasischen Ölfeldern." Daraufhin schlug er dem Sultan vor, das ganze Gebiet unter Seiner Majestät erhabenen Schutz zu stellen, bevor die Konzessionsjäger wie die Aasgeier in jene Gegenden strömen. Am nächsten Tag wurde Izzet zum Pascha erhoben. Unterdessen frönte Wilhelm II., nichts ahnend von den Widrigkeiten, die seine Reise beinahe zunichte gemacht hätten, ausgiebig seinem Bedürfnis, sich in Szene zu setzen. Als er am 25. Oktober in Haifa an Land trat, versammelten sich weltweite Journalisten an den Ufern und drängten sich an das große Zelt, welches extra für die Pressekonferenz aufgestellt wurde. 627 hohe Würdenträger des Reiches und eine Ehrengarde von 600 osmanischen Soldaten begleiteten den Kaiser bei seiner Reise in Palästina. Organisiert wurde die Reise vom Reiseunternehmen Thomas Cook, der einen ganzen Hofstaat (620 Schlafzelte, 500 Maultiere, zahllose Köche, Wasserträger und Übersetzer) zu transportieren hatte. Neben Haifa und Jerusalem besuchte der Kaiser Jaffa und Beirut.

In Palästina

Bei seinem Einzug in Jerusalem trug der Kaiser zum Gedenken an die Kreuzritter schimmernde Rüstung und einen weißen Umhang mit Pilgerkäppchen. Großen Eindruck machte seine Frömmigkeit; als er den Stadtrand von Jerusalem erreichte, stieg er vom Pferd und kniete mitten auf der staubigen Straße nieder, um zu beten. Mochte seine Pilgerfahrt in einem Teil der Weltpresse auch noch so viele spöttische Kommentare auslösen, so war der emotionale Effekt zweifellos höchst eindrucksvoll. Der Kaiser empfing Abordnungen von Juden und Muslime, Priester und Rabbiner, Kaufleute und Bankiers. Zur gleichen Zeit verwirklichten sich die Hoffnungen des Sultans. In den Beziehungen zwischen der englischen Regierung und Wilhelm II. begann sich eine leichte Verstimmung abzuzeichnen. Die Meldungen aus Faschoda ließen erkennen, daß die Franzosen ihren Rückzug vorbereiteten, nachdem Rußland (Alexander III.) eindeutig  zu erkennen gab, daß es nicht bereit sei, für Frankreich in den Krieg zu ziehen. Da die Engländer Ägypten fester in der Hand hatten denn je und der Sultan nicht hoffen durfte, sie aus eigener Kraft zu vertreiben, war er nun bereit, Izzets Rat zu folgen und die Bemühungen um den Kaiser, seinen Freund, zu verdoppeln. In Palästina hatte Wilhelm II. die Rolle des Pilgers übernommen, in Syrien setzte er sich die Kopfbedeckung eines Beduinenscheichs aufs Haupt, und selbst Fürst Bülow war überrascht, als sein kaiserlicher Herr es sich nicht nehmen ließ, dem großen Sultan Saladin einen Kranz an sein Grab niederzulegen. Die Einweihung der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem auf dem Grundstück, das sein Vater, damals noch Prinz Friedrich Wilhelm (der spätere Friedrich III.) 1869 vom Sultan zum Zwecke der Errichtung einer evangelischen Kirche geschenkt bekommen hatte. In Bethlehem sprach Wilhelm II. vor den deutschen Siedlern: „… daß Ihr verstanden habt, durch euer persönliches Leben Eueren Nachbarn ein gutes Beispiel zu geben, und daß Ihr gezeigt habt, wie man es machen muss, um in diesen Ländern den deutschen Namen Achtung zu verschaffen. Ihr habt Euch einen guten Ruf erworben hier und auch im Auslande und habt gezeigt, wie man es angreifen muß, öde Felder wieder fruchtbar zu machen… Ich hoffe, daß, wie augenblicklich, so auch in Zukunft die freundschaftlichen Beziehungen zum osmanischen Reiche, und insbesondere die Freundschaft zu Seiner Majestät dem Sultan und Mir, dazu dienen werden, Eure Aufgaben zu erleichtern. Wenn irgendeiner von Euch Meines Schutzes bedarf, so bin Ich da… und erfreulicher Weise ist das Deutsche Reich ja imstande, seinen Angehörigen im Auslande nachhaltigen Schutz zu gewähren.“
In Damaskus beschwor er vor einer gewaltigen Menschenmenge die Freundschaft zwischen Harun al-Rashid und Karl dem Großen und erklärte:

"Möge der Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner, die, auf der Erde zerstreut lebend, in ihm ihren Kalifen verehren, dessen versichert sein, daß zu allen Zeiten der deutsche Kaiser ihr Freund sein wird."

Während diese Rede in Europa Mißtrauen und Verblüffung auslöste, wurde in der ganzen muslimischen Welt die Nachricht mit Begeisterung empfangen. Der Sultan antwortete mit überschwänglichen Dankbarkeitsbekundungen. Aber erst ein Jahr sollte vergehen, bis der Sultan dem Direktorium der Deutschen Bank und der Anatolischen Bahn die Konzession für den Bau der Bagdadbahn von Konya nach Bagdad und zum Persischen Golf gewährte. Ein Abschiedsgottesdienst für den Kaiser fand am 3. November in der Erlöserkirche statt. Mit der Eisenbahn gelangte der Hof am nächsten Tag zurück nach Jaffa, wo es mit dem Schiff weiter nach Beirut ging. Im Libanon und in Syrien schaute sich der Kaiser geschichtsträchtige Orte an und kehrte schließlich am 26. November nach Berlin zurück.

Geschenke anläßlich der Reise

Wilhelm II. stiftete anläßlich des Besuches den "Deutschen Brunnen", der insbesondere für Arme Trinkwasser bereitstellen sollte. Den eigenem Entwurf, überarbeitet vom mitreisenden Professor Knackfuß, übergab der Kaiser bei der Abreise dem Sultan. Die Mosaike wurden von der Firma Puhl & Wagner aus Berlin geliefert, die auch für die Erlöserkirche tätig war. Überhaupt wurde fast der gesamte Brunnen in Teilen in Deutschland gefertigt und nach Konstantinopel verschifft. Einweihung war, nicht ganz plangemäß, am 27.Januar 1901 – Kaisers Geburtstag. In der mit Mosaiken verzierten goldgrundigen Kuppel wechseln sich Rundfelder mit dem Kaisermonogramm auf Preußisch-Blau und der Sultanstughra (Sultanssiegel) auf Grün, der Lieblingsfarbe des Propheten Mohammed, ab. Die Monogramme wiederholten sich auf dem Brüstungsmosaik. Dort sind sie aber heute leider nicht mehr erhalten.

Trauerkranz für Sultan Saladin

In Damaskus legte Wilhelm Wert darauf, das Grab des Sultan Saladins zu besuchen. Im Mausoleum bei der Umayyaden-Moschee legte er am 8.11.1898 einen goldenen Kranz nieder und hielt eine Rede, die später besonders bei Briten, Franzosen und Russen aufmerksam zur Kenntnis genommen wurde: "Möge der Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner, die, auf der Erde zerstreut lebend, in ihm ihren Kalifen verehren, dessen versichert sein, daß zu allen Zeiten der deutsche Kaiser ihr Freund sein wird." Der Kaiser hielt den hölzernen Sarg des Sultans übrigens für unwürdig und beauftragte umgehend deutsche Steinmetze einen Steinsarkophag als Ersatz zu fertigen. Dieser Sarkophag wurde auch angeliefert und steht heute leer neben dem hölzernen Sarg im Mausoleum. Die Araber wollten ihren großen Sultan nicht umbetten, aber das Geschenk auch nicht zurückweisen. Der goldene Kranz ist nicht mehr da. Als T.E. Lawrence (von Arabien) in Damaskus einmarschierte, schickte er den Kranz nach London. Angeblich hat nicht er ihn vom Grab genommen, sondern ein arabischer Fürst namens Sherif Feisul. Lawrence schrieb allerdings in seinem Begleitschreiben an das Imperial War Museum, er hätte ihn weggenommen, da "Saladin ihn nicht mehr braucht". 1930 fragte das Museum beim Außenministerium an, ob man den Kranz nicht, wie bei religiöser Kriegsbeute üblich, wieder nach Syrien zurückgeben sollte. Das britische Außenministerium lehnte aber ab, da es sich um keinen religiösen, sondern um einen propagandischen Gegenstand handele und das wäre zum jetzigen Zeitpunkt (1930) unmöglich, da dies wieder einen Propagandaeffekt für Deutschland im arabischen Raum bringen würde. Erst 1987 tat sich wieder etwas: Die Direktion des Antikenmuseums in Damaskus bat darum, zumindest eine Kopie für das Grab zu bekommen. Doch auch das scheiterte, weil man sich nicht über die Kosten einigen konnte. Die Syrer hatten kein Geld, und die britische Regierung lehnte es ebenso wie das Imperial War Museum ab, die erheblichen Kosten dafür zu tragen. Der Kranz mit der Inventarnummer EPH 4338 liegt daher bis heute in einer Vitrine des Kriegsmuseums in London.

Taschenuhr

Als Gastgeschenk übergab Wilhelm II. eine prunkvolle, mit seinem Bild in Email, mit Brillanten und Rubinen reich verzierte Taschenuhr von A. Lange und Söhne an Sultan Abdülhamid II. Die Uhr ist heute Eigentum des Topkapi Sarayi Museums in Istanbul.

Die Tafeln von Baalbek

Da der Kaiser an Archäologie interessiert war, ließ er es sich nicht nehmen die Ruinenstadt Baalbek, im heutigen Libanon, zu besuchen. Zu diesem Anlaß ließ der Sultan eine große, zweiteilige Erinnerungstafel anfertigen und ließ sie Wilhelm dort präsentieren. Er könne sich aussuchen, wo sie später angebracht werden sollte. Der Kaiser wählte eine Stelle an der Wand des Bacchus-Tempels. Jedoch bedachte niemand, daß sich die Ausgrabungen damals erst im Anfangsstadion befanden, und nachdem Geröll und Sand weggeschafft wurden, hingen die Tafeln in fast zehn Metern Höhe.

In Osmanisch und Deutsch stand dort:

"Sultan Abd ul-Hamid II.
Kaiser der Osmanen
Seinem erlauchten Freunde
Wilhelm II.
Deutscher Kaiser, König von Preußen
und
Kaiserin Augusta Victoria
Zur Erinnerung an die gegenseitige unwandelbare Freundschaft
und den Besuch der kaiserlichen Majestät in Baalbek 15. November 1898."

Übrigens hatte der Besuch bereits am 10. November stattgefunden – ein Irrtum bei der Übermittlung des Reiseplanes. 1918, 20 Jahre nach dem Besuch, besichtigte der britische General Allenby nach der britischen Besetzung des Nahen Ostens die Ruinen. Er befahl die unübersehbar angebrachten Tafeln zu entfernen: "die Zeiten hätten sich geändert!" Nur auf Bitten seines libanesischen Führers, Michel Alouf, verzichtete er auf eine völlige Zerstörung und begnügte er sich dann damit, daß man die Namen von Kaiser und Kaiserin herausmeißelte. Viele Jahre später, 1972 – die Tafeln waren irgendwann verschwunden und verschollen – saß der deutsche Archäologe Hans-Christian Lankes in einer Gaststätte des Hotels Palmyra in Baalbek. Bei einem Gespräch mit dem Hotelier zeigte dieser dem Deutschen Bilder vom Kaiserbesuch und der Enthüllung der Tafeln. Lankes war erstaunt und bemerkte, daß er die Tafeln dort noch nie gesehen habe und fragte ob denn niemand wisse, wo sie seien. Da stand der Hotelier auf und führte den Archäologen zu den mit einem Tuch abgedeckten Tafeln und erzählte die Geschichte vom General Allenby und dem libanesischen Führer: seinem Vater. Die weißen Marmortafeln waren in schlimmem Zustand, ebenso wie der als Rahmen gedachte spitze Giebel mit einem nach oben offenem Lorbeerkranz. Hotelier und Archäologe verabredeten, daß man dafür sorgen wolle, daß die Tafeln wieder am Platz aufgehängt würden – natürlich nach einer gründlichen Restaurierung und vollständiger Wiederherstellung der Inschriften. Die Ausführung des Plans erwies sich als schwierig, schon weil der Hotelier mit dem Direktor der Altertümerverwaltung zerstritten war. Es gab Streitigkeiten über das Besitzrecht, Schwierigkeiten bei der neuen Einmeißelung der gotischen Buchstaben und des genauen Textes und lange Rückfragen mit allerlei Institutionen in Deutschland, bis zur Vermögensverwaltung der Hohenzollern in Hechingen.

Endlich war es 1975 soweit, daß die restaurierten Tafeln – ohne den Rahmen, denn den wollte der Hotelier im Restaurant als Kundenfang behalten – wieder angebracht werden konnten. Doch dann kam das größte Hindernis: Der Bürgerkrieg im Libanon brach aus, und Lankes mußte einen Tag vor dem Anbringen der Tafeln außer Landes, jedoch nicht ohne das Versprechen seiner libanesischen Mitarbeiter zu bekommen, daß diese die Arbeit beenden wollten. Lankes blieb lange im Unklaren, ob die Tafeln wieder hingen. Der Bürgerkrieg machte eine Reise fast unmöglich, und die Verbindung zu den Archäologen in Baalbek war abgebrochen. Erst fünf Jahre später, 1980, bekam er ein Foto von einem Kollegen aus Beirut: Die Tafeln hingen wieder. So wie man es ihm versprochen hatte.

Literatur:
"Das Deutsche Kaiserpaar im Heiligen Land", Berlin 1899
"Die Kaiserfahrt durchs heilige Land" L. Schneller Leipzig 1899
Alan Palmer: Verfall und Untergang des Osmanischen Reiches, S. 274-279
"Baalbek - Im Banne römischer Monumentalarchitektur" M. von Ess, Mainz, 1999
Joan Haslip: Der Sultan; Das Leben Abd ul-Hamids II.
Vahdettin Engin: II. Abdülhamid ve Dis Politika

Bildverweis:
Archiv Ottoman Club
Fausto Zonaro 1898, Topkapi Museum